Fachgebiet Fügetechnik / Arbeitsgruppe Werkstoff- und Oberflächentechnik (AWOK)

Kurzbeschreibung des Forschungsvorhabens

1. Forschungsthema

„Verbesserung der Alterungsbeständigkeit von Glasklebungen durch prozessintegrierte umweltverträgliche Oberflächenbehandlungsverfahren“

„Proglazing“

2. Wissenschaftlich- technische und wirtschaftliche Problemstellung

Anlass für den Forschungsantrag

Mit dem Werkstoff Glas lassen sich kostengünstige und langlebige Produkte für vielfältige Anwendungen im Bauwesen, im Chemieanlagen- und Apparatebau realisieren. Den Vorteilen, wie der hohen chemischen Beständigkeit und dem geringen spezifischen Gewicht, stehen jedoch Nachteile wie Sprödigkeit und hohe Kerbempfindlichkeit gegenüber. Dies ist einer der Gründe, warum die Klebtechnik im Gegensatz zu mechanischen Fügeverfahren als Verbindungstechnik für Glaswerkstoffe besonders geeignet ist.

Als problematisch zeigt sich jedoch die bis heute nicht zufriedenstellend gelöste Frage der Langzeitbeständigkeit von Glasklebungen gegenüber der Einwirkung feuchter Medien, Wärme und UV-Strahlung, was zu vorzeitigem Versagen führen kann. Als Stand der Technik kann zur Realisierung alterungsbeständiger Glasklebungen der Auftrag haftvermittelnder Substanzen genannt werden, welche jedoch an den Anwender hohe Anforderungen bezüglich der Einhaltung von Prozessparametern bei der Applikation stellen. Zur Lösung der vorher genannten Probleme sollen neue physikalische Vorbehandlungsverfahren auf der Basis der Atmosphärenplasma-Behandlung in Verbindung mit Prozessgasen zur definierten Aufbringung haftvermittelnder Schichten hinsichtlich ihrer Wirkungsweise erforscht und für die Fertigung qualifiziert werden. Das Ziel ist dabei die Bereitstellung umweltfreundlicher, kostengünstiger und prozesssicher durchführbarer Oberflächenvorbehandlungsverfahren zur Herstellung langzeitbeständiger Glasklebungen. Zur Erreichung dieses Zieles sollen in dem beantragten Forschungsprojekt die physikalischen und oberflächenchemischen Wirkungen dieses Verfahrens bezüglich der klebtechnischen Eigenschaften der Glasoberflächen untersucht sowie für den industriellen Einsatz das optimale Prozessfenster und die Grenzen dieses Verfahrens in Kombination mit repräsentativen Glassorten und typischen Glasklebstoffen ermittelt werden.

Ausgangssituation

Heute verfügbare Verfahren der klebtechnischen Glasvorbehandlung wie das nasschemische Aufbringen von Silanhaftvermittlern unter Einhaltung definierter Hydrolysebedingungen oder der Einsatz der Flammpyrolyse nach dem Pyrosil-Verfahren zeichnen sich vor allem durch aufwändige Handhabung und eingeschränkte Integrationsfähigkeit in automatisierte Prozesse aus. Daher ist der Bedarf an zuverlässigen Vorbehandlungsverfahren für die industrielle Herstellung langzeitbeständiger Glasklebungen bis heute nicht zufriedenstellend gelöst. Die daraus resultierenden Probleme sind in vielen Anwendungsbereichen zu finden. Im Glas- und Fensterbau geht bei ungenügender Beständigkeit der geklebten Randverbunde die Isolierwirkung der Mehrscheibenisolierverglasung durch Entweichen der für die Verbesserung der Wärme- und Dämmeigenschaften und damit zur Energieeinsparung eingefüllten Funktionsgase verloren und eindringende Feuchtigkeit führt bei Kondensation zum „Erblinden“ der Verglasung. Ähnliche Probleme ergeben sich heute bezüglich der Beständigkeit der Klebverbunde bei Photovoltaikmodulen, die zum Schutz gegen Feuchtigkeit und mechanische Einwirkung zwischen Glasplatten gebettet werden. Hier ist die Langzeitbeständigkeit des Klebverbundes unter Freibewitterung entscheidend für das Erreichen der zur Amortisation notwendigen Lebensdauer. Beim „structural sealant glazing“, werden Verglasungs- und Brüstungselemente klebtechnisch mit einer tragenden Unterkonstruktion verbunden. In diesem Anwendungsbereich bestehen hohe Anforderungen an Sicherheit und Dauerhaftigkeit, die nur dann in Form von zulassungsrelevanten Prüfungen erfüllt werden können, wenn sowohl die Klebstoffe selbst als auch die adhäsiven Bindungen des Klebstoffes an die Glasoberfläche die Beständigkeitsforderungen erfüllen.

Auch für Rohleitungen im Chemieanlagen- und Apparatebau ist Glas seit alters her ein nahezu idealer Werkstoff in Bereichen wo es auf hohe Beständigkeit, Hygiene und Prozessüberwachung ankommt. Durch die Möglichkeit geklebte Rohrverbindungen zuverlässig und langzeitbeständig auszuführen, lassen sich die hohen wirtschaftlichen Potenziale des Werkstoffs Glas sowohl für Betreiber von Chemieanlagen, als auch für klein- und mittelgroße Firmen des Anlagen- und Apparatebaus erschließen.

Stand der Forschung

In vorhergehenden Arbeiten konnte nachgewiesen werden, dass sich auf der Glasoberfläche nach der Herstellung eine „Gelschicht“ bestehend aus temporärem und permanentem Wasseradsorbat ausbildet, welche sich aus den Wechselwirkungen des Glases mit den Wassermolekülen aus der Atmosphäre ergibt. Diese Gelschicht wird unter anderem für die schlechte Langzeitbeständigkeit von Glasklebungen verantwortlich gezeichnet. Die positive Wirkung von Haftvermittlern auf die Langzeitbeständigkeit geklebter Glasverbunde beruht zum einen auf chemischen Bindungen, die zwischen dem Klebstoff und dem Glasnetzwerk ermöglicht werden und zum anderen auf der Stabilisierung der Glasoberfläche durch die Reaktion mit den Haftvermittlern.

Neben dem nasschemischen Auftrag von Silanhaftvermittlern wird heute auch das Pyrosilverfahren zur flammpyrolytischen Beschichtung angewendet. Beide Verfahren zeigen jedoch in der praktischen Anwendung Schwächen bezüglich der Reproduzierbarkeit und prozesssicheren Beherrschung unter den typischen Bedingungen der industriellen Verarbeitung oder Baustellenanwendung.

Eine viel versprechende Alternative zeichnet sich durch den Einsatz der vergleichsweise einfach zu handhabenden Atmosphärenplasmabehandlung, die sich bereits in vielen Anwendungsbereichen zur klebtechnischen Vorbehandlung von Kunststoffen bewährt hat, ab. Plasmaverfahren werden bisher im Bereich Glas zur Feinstreinigung vom optischen Gläsern eingesetzt, wobei bezüglich der Veränderung und der Modifizierung der Adhäsionsfähigkeit nur begrenzt Untersuchungen vorliegen. Jedoch sind diese deshalb so interessant, weil durch die Vorbehandlung mit Plasma sowohl Reinigungseffekte als auch Oberflächenveränderungen durch chemische Modifizierung erreicht werden können. Des Weiteren ist es möglich, mittels der Openair-Technologie plasmapolymere Schichten auf der Glasoberfläche abzuscheiden. Untersuchungen zum Nachweis des Effektes, dass dadurch zerstörende Reaktionen wie Korrosion vermieden bzw. reduziert werden können, liegen jedoch bisher nur für Metalle und Kunststoffe vor.

Daher soll in dem vorliegenden Forschungsprojekt durch ein detailliertes Verständniss der Mechanismen der Adhäsion an atmosphärenplasmabehandelten Gläsern und der Beeinflussung der Schädigungsmechanismen unter Witterungseinfluss, ein prozesssicher beherrschbares Verfahren zur Herstellung langzeitbeständig geklebter Glasverbunde entwickelt werden.

3. Forschungsziel / Ergebnisse / Lösungsweg

3.1 Forschungsziel

Die Komplexität der Struktur-Eigenschaftsbeziehungen der Glasoberflächen und der besondere Einfluss der Vorgeschichte (Herstellungsprozess, Zusammensetzung, mechanische und chemische Vorbehandlung) auf diese Eigenschaften erschwert die Verallgemeinerung und Vergleichbarkeit von Ergebnissen aus bereits vorliegenden Arbeiten. Daraus folgt, dass bisher auf einer nicht genau definierten Oberfläche geklebt bzw. beschichtet wird. In dem skizzierten Forschungsprojekt sollen daher systematische Untersuchungen zur Adhäsionsverbesserung und Medienbeständigkeit durch die Herstellung genauer definierbarer Oberflächen durchgeführt werden. Dies soll unter Berücksichtigung neuer Möglichkeiten zur plasmatechnischen Oberflächenbehandlungen an verschiedenen Floatgläsern untersucht werden.

3.1.1 Angestrebte Forschungsergebnisse

wissenschaftlich-technische Ergebnisse

In vorangegangenen Untersuchungen konnte bereits gezeigt werden, dass durch eine Oberflächenvorbehandlung von Glas mit Plasma eine chemische und morphologische Modifizierung vorgenommen werden kann. Dabei wird vor allem das Ziel angestrebt, mittels Plasma die auf der Glasoberfläche liegende Gelschicht zu entfernen und die Oberfläche durch den Auftrag einer Plasmapolymerschicht zu stabilisieren und quasi zu versiegeln. Die Anlagerung einer neuen Wasserschicht nach dem Verkleben soll so verhindert werden um die Langzeitbeständigkeit zu gewährleisten.

wirtschaftliche Ergebnisse

Eine systematische Untersuchung der Wirkung des Vorbehandlungsverfahrens wird angestrebt. Die Lebensdauer von Glasklebungen wird erhöht und dadurch die Grundlage für eine breitere Erschließung der Potenziale der Glasklebtechnik im Glas- und Fensterbau, der Solartechnik und dem Anlagenbau geschaffen. Ziel dieses Projektes ist ebenfalls, durch eine enge Zusammenarbeit von Glasherstellern, glasverarbeitenden Betrieben, Klebstoffherstellern sowie Anbietern von oberflächentechnischen Vorbehandlungsverfahren und den beteiligten Forschungsstellen Wege zu industriellen Verfahren für die Herstellung von Glasklebungen mit verbesserter Langzeitbeständigkeit aufzuzeigen und zu erproben. Durch die Synergie zwischen den verschiedenen Branchen können gesicherte Daten, Empfehlungen und Richtlinien für Glasverbundsysteme ermittelt (aufgestellt) werden, die zu neuen Halbzeugen bzw. Finalprodukten mit höherer Lebensdauer führen sollen.

3.1.2 Innovativer Beitrag der angestrebten Forschungsergebnisse

Durch die Bereitstellung neuer effektiverer, umweltfreundlicherer Oberflächenbehandlungsverfahren für Glas und der Übernahme von prozessintegrierten Technologieabläufen und Arbeitsvorschriften zur Oberflächenbehandlung von Floatgläsern durch die Industrie, können entsprechende Aufträge als Dienstleistung zum Fügen und Prüfen von Baugruppen realisiert werden. Zudem können durch den Einsatz neuer Glaswerkstoffe in der Industrie vorhandene Technologien effektiver gestaltet und neue Applikationsfelder erschlossen werden.

3.2 Lösungsweg zur Erreichung des Forschungsziels

Methodischer Ansatz

Die Beständigkeit der Glasoberfläche kann zum einen bereits bei der Herstellung durch die Zusammensetzung der Glasschmelze und zum anderen nachträglich durch geeignete Oberflächenbehandlungsverfahren oder Beschichtungen beeinflusst, beziehungsweise modifiziert werden.

Die Methodik zur gezielten systematischen Verbesserung von Glasklebungen durch Kombination geeigneter Glasqualitäten, Vorbehandlungsverfahren und Klebstoffen setzt zunächst eine Charakterisierung der Werkstoffe und Oberflächen im Ausgangszustand vor dem Verkleben voraus. Für die Charakterisierung sind Topographie mit Laser-Profilometrie bzw. Weißlichtinterferometrie, Randwinkelmessung, REM sowie Oberflächenanalytik mit EDX, ToF-SIMS und SNMS als geeignet und zielführend bekannt.

Anhand von Methoden zur beschleunigten Alterung unter Klimasimulation und unter kontrollierter Freibewitterung soll dann die makroskopische und mechanische Beständigkeit untersucht werden und die Art und Dynamik der auftretenden Schadensmechanismen aufgezeigt werden.

Als Alterungsverfahren sollen entsprechend der relevanten Anwendungsbereiche die Freibewitterung, UV-Belastung im Xenotest, feucht-warme Klimalagerung sowie Medienlagerung in sauren und alkalischen Medien zum Einsatz kommen. Die Beurteilung der Bruchflächen und die Klärung der Schadensmechanismen und Schadensdynamik soll wiederum durch bildgebende und oberflächenanalytische spektroskopische Verfahren unterstützt werden:

Durch Korrelation der Ergebnisse aus der mechanischen Prüfung, der makroskopischen Beurteilung und der Oberflächenanalytik sollen die unterschiedlichen Verfahrensparameter der Plasmabehandlung (Intensität, Dauer, Prozessgase etc) hinsichtlich ihrer Wirksamkeit zur Verbesserung der Beständigkeit von Glasklebungen und der zu berücksichtigenden dominierenden Schadensmechanismen vergleichend untersucht werden.

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